Cartagena 4.11. – 18.11.2001
Ein Reisetagebuch
 

Sonntag 4.11.

Franz, Klaus und ich starten um 7:30 von Wien und fliegen mit der Air France nach Paris. Dort treffen wir Wolfgang. Er studiert dieses Jahr in Valencia und wird uns übersetzen. Der Flug nach Bogota dauert elf Stunden. Wir durchqueren mehrere turbulente Zonen. Von Bogota fliegen wir mit der Avianca weiter nach Cartagena.

Wir sind noch nicht beim Flughafengebäude und uns rinnt schon der Schweiss aus allen Poren. Es hat ca. 30 Grad und eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit. Sr. Elfride und ihre Mitschwestern holen uns am Flughafen ab und bereiten uns einen herzlichen Empfang. Sie macht mit uns gleich eine kleine Stadtrundfahrt und dann geht’s hinaus an den Stadtrand nach Arroz Barrato, in ihr kleines Kloster, im von ihr gegründeten Schulzentrum “concentracion escolar san francisco de assis”. Wir werden im Gästehaus einquartiert. Jeder hat sein eigenes Zimmer mit WC und Dusche. Letztere sollen wir mindestens dreimal täglich benutzen. Statt Kästen gibt es offene Regale. Die Betten sind mit einem grossen Moskitonetz ausgestattet. Auch ein grosser Ventilator gehört zur Standardeinrichtung. Wäsche werden wir nicht viel brauchen. Sie wird uns täglich gewaschen werden. Ich habe mich auf wenig und einfaches Essen eingestellt. Tatsächlich werden wir von den Schwestern verwöhnt. Allein die frisch gepressten Säfte sind eine Reise wert. Wir fühlen uns sehr sicher. In der Nacht wird das Schulgelände von einem bewaffneten Wächter und zwei grossen Dobermännern bewacht.
 

Montag, 5.11.

Wir fahren nach Villa Gloria, in die Bertha von Suttner Schule, die die HS 27 in Linz finanziert hat. Die Absolventinnen der Mittelschule, denen wir von der Pfarre aus ein Studium ermöglichen, haben dort ein Fussballturnier organisiert. Wir sind beim Finale dabei und übergeben die Preise.

Am Nachmittag zeigt uns Sr. Elfride das Industriegebiet Mamonal. Entlang der ca. 10 km langen Strasse ist eine grosse Firma neben der anderen. Sr. Elfride weiss genau, von wem sie was bekommen hat.
 

Dienstag, 6.11.

Feierliche Einweihung der Bertha von Suttner Schule in Villa Gloria. In Betrieb ist die Schule seit Februar, aber mit der Einweihung hat man auf uns gewartet. Es ist ein dreistündiges Fest. Wir hören viele Lieder, sehen Tänze und nehmen den herzlichen Dank der Schüler, Eltern und Lehrer entgegen.

Gleich nach dem Mittagessen fahren Sr. Elisabeth, die künftige Direktorin des Schulzentrums in Arroz Barrato und Sr. Astrid mit uns zu einer Krokodilfarm. 20.000 Krokodile und Kaimane in Betonbottichen zusammengepfercht sind eher ein Fall für Greenpeace als eine Augenweide. Der Gestank ist enorm. Am späteren Nachmittag gestalten 40 StudentInnen, die wir unterstützen oder unterstützt haben, für uns vier Ehrengäste ein Fest. Kolumbien wird in seiner Vielfalt, seiner Schönheit in Liedern und Tänzen präsentiert. Wir bekommen einen edlen Fisch serviert. In einem Theaterstück wird die Hoffnung ausgedrückt, dass die Gewalt in Kolumbien doch überwunden wird.
 

Mittwoch, 7.11.

Wir besuchen Cartagena als Touristen. Am Vormittag zeigt uns Sr. Elfride den Dom und das Goldmuseum, am Nachmittag durchstreiften wir die Altstadt, immer in Begleitung von Antonio, dem Fahrer von Sr. Elfride. Er kann gut Englisch. Ein Höhepunkt ist die abendliche Kutschenfahrt. Jedes Haus hat Holzbalkone, aber keiner gleicht dem anderen.
 

Donnerstag, 8.11.

Wir fahren wieder mit Antonio in die Stadt und erforschen die riesige Festung San Felipe mit ihren 3000m langen unterirdischen Gängen. Am Nachmittag findet die grosse Parade der  Schönheitsköniginnen statt. Das Ehepaar Triana begleitet uns. Dr. Triana ist der Architekt der Schule in Villa Gloria und hat auch sonst schon viel für den Orden gebaut. Die Altstadt ist abgesperrt, die zigtausend Besucher werden vom Militär streng kontrolliert. Die Königinnen sind wirklich eine Augenweide, die vielen Musik- und Tanzgruppen ebenso. Das Publikum begnügt sich aber nicht mit dem Zusehen. Es ist hier üblich sich gegenseitig mit Wasser zu bespritzen und mit Farbe zu beschmieren. Diese wird in kleinen Säckchen verkauft, ebenso wie das Wasser. Schon nach wenigen Minuten hatten wir blaue Farbe im Gesicht und auf den T-Shirts. Mit der Zeit ist dann Rot und Grün dazugekommen, bei Wolfgang auch Kaffee, bei Franz Maizena.

Das ist aber noch die nette Form. Die ganz armen Buben und Jugendlichen beschmieren ihren ganzen Körper mit schwarzer Farbe und Altöl. Mit Stecken holen sie Dreck aus Kanalschächten und halten sie Passanten unter die Nase. Man kommt nur gegen eine kleine Spende an ihnen vorbei. Wer nicht bezahlt, wird beschmiert.  Als weiter Sport gilt das Werfen von Wasserbomben in vorbeifahrende Autos.  Auch die Autos werden beschmiert.

Zum Abschluss lädt uns das Ehepaar Triana zu sich nach Hause auf ein Bier ein. Dr. Triana erzählt uns von seiner Entführung durch die Guerilla und zeigt uns seinen Becher, aus dem er in diesen 20 Tagen gegessen und getrunken hat. 
 

Freitag, 9.11.

Vormittag steht der Besuch des Collegio Biffi am Programm. Es ist ein Schulzentrum für 1700 Mädchen und 800 Abendschülerinnen. Am Nachmittag gehen  wir mit Sr. Elfride durch Policarpa, eines ihrer Dörfer. Die Armut ist erschütternd. Trotzdem machen die Menschen das Beste aus der Situation. Wir werden sehr freundlich empfangen und auch in mehrere Hütten hineingebeten. Es gibt nur ganz wenige Leute aus der Stadt Cartagena, die gesehen haben, wie diese Menschen leben.
 

Samstag, 10.11.

Wir haben die StudentInnen gebeten, am Vormittag nochmals zu kommen. Wir erklären ihnen unser Anliegen und besprechen den Briefkontakt. Wir haben sie gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und alle fotografiert.

Nach dem Mittagessen gehe ich mit Wolfgang in den Computerraum des Schulzentrums. 16 PCs stehen hier zur Verfügung, aber es gibt noch einen zweiten Saal mit ebenso vielen Computern. Dr. Triana hilft uns den Server hochzufahren und die Passworthürden zu nehmen. Der Raum ist voll klimatisiert. Hier ist es angenehm. Nur die fehlenden Buchstaben auf der Tastatur machen leichte Schwierigkeiten. Wolfgang richtet Sr. Elfride ein Hotmail Konto ein und eine ICQ Adresse. Er installiert auch Internet-Telefonie über MSN oder Buddyfone und versucht mit seinem Bruder über Internet zu telefonieren. Wir können ihn, aber er leider nicht uns hören. Trotzdem: die Mittelschule ist ein Paradies inmitten von armen Hütten und viel Dreck. 

Heute Vormittag haben wir uns nochmals mit den StudentInnen getroffen.
 

Sonntag, 11.11.

Wir haben die StudentInnen zu einer Schifffahrt zu den Rosenkranzinseln eingeladen. Erst eine Studentin kennt dieses beliebte Touristenziel. Auch die Fahrt mit so einem Boot ist für sie neu. Drei Studentinnen wird ziemlich übel.  Die 27 Rosenkranzinseln sind kleine und kleinste Inseln wie im Bilderbuch. Manche sind nur gross genug für ein einziges Haus mit einer einzigen Palme.  Ein Korallenriff schützt sie vor hohen Wellen und Gezeiten. Wir landen auf der grössten Insel und bestaunen eine eindrucksvolle Haifisch- und Delphinshow. Beim Baden haben alle ihren Spass, schwimmen können sie aber nicht. Beim Heimfahren mit dem Schiff kämpft besonders Elisabeth mit der Übelkeit.  Bis sie ein Gegenmittel entdeckt: Sie tanzt, und wir machen mit, so gut es geht.

 

Montag, 12.11.

Weil Cartagena den Beginn des Unabhängigkeitskampfes gegen die Spanier feiert und alle Geschäfte und Schulen geschlossen haben, entschliessen wir uns zu einem Badetag in Cartagena. Antonio will uns drei Strände zeigen. Wir beginnen im Nobelviertel Boca Grande. Der Strand ist sauber, das Wasser hat ebenso wie die Luft 30 Grad. Zu Mittag führt uns Antonio in ein vornehmes Restaurant am Meer. Hier wird Spitzenqualität geboten, zu einem akzeptablen Preis – für europäische Verhältnisse. Am späten Nachmittag wechseln wir noch zu einem anderen Strand. Wir stellen den Jeep direkt ans Meer und geniessen die Abendsonne. Hier gefällt es uns besonders. Das war wirklich ein Urlaubstag.
 

Dienstag, 13.11.

Wir besuchen nochmals die Schule in Villa Gloria, weil wir auch Fotos von der Bertha von Suttner Schule im Normalbetrieb machen wollen. Sr. Elfride hat in der Zwischenzeit eine Besprechung mit den Eltern, die den Trägerverein der drei Schulen bilden. Ein Platzregen verwandelt den Schulhof in einen See, die Strasse in einen Bach. Die Kinder haben eine grosse Freude mit den Kugelschreibern, die wir verteilen. Wir fahren weiter zur Schule Nelson Mandela in Franzisco de Paula. Die Schüler der dritten Klasse versuchen gemeinsam mit ihrer Lehrerin, das Wasser aus der Klasse zu kehren, das dort 3-5 cm steht. Auch in den 25 Jahre alten Toyota-Jeep regnet es herein. Wir besuchen noch die Volksschule in Las Vegas. Auch diesen Bau hat Sr. Elfride organisiert. Hier ist es halbwegs trocken.

Den Nachmittag verbringen wir in der Innenstadt bei den Souvenirläden. Die Auswahl ist reichlich, die Preisverhandlungen aber zäh. Mit Hilfe von Sr. Elfride bekommen wir kolumbianische Preise. Weil Sr. Elfride darauf besteht, dass wir vor der Messe noch essen, beginnt diese mit 15 Minuten Verspätung. Wir singen: Singt Gott, jubelt ihm, und zur Kommunion: Confitemini domino. Anschliessend treffen wir uns mit neun StudentInnen. Wir spielen “Armer schwarzer Kater” und tanzen Salsa. D.h. die Studentinnen und Studenten tanzen, wir versuchen es. Der Hüftschwung will nicht so recht gelingen. Wir bedauern, dass wir keine österreichische Tanz-CD mithaben. Was wir unter dem Titel „lateinamerikanische Tänze“ kennen, ist hier nicht bekannt.
 

Mittwoch, 14.11.

Dr. Triana kommt mit der Abrechnung. Wir besprechen mit ihm und Sr. Elfride neue Projekte. Die Schule in Villa Gloria soll fertig ausgestattet werden. Das Wasser soll eingeleitet und der Schulhof asphaltiert werden, die Klassen sollen einen Ventilator bekommen und das Krankenzimmer eine Minimalausstattung.

Als weiteres Projekt schlägt Sr. Elfride den Bau von 10 halben Häuschen vor.

Dann steigen wir in den Jeep und besuchen die Volksschule in Polikarpa und fahren nach Henequen, dem ehemaligen Mülldorf. Die Deponie ist seit kurzem geschlossen und der Berg bereits mit Erde abgedeckt. Die Müllkooperative ist ohne Arbeit. Wir besuchen Ihre Plastikrecycling Firma. Sortiertes Plastik wird gewaschen, getrocknet und gemahlen. Wir sehen die letzten Säcke von der Deponie. Ab jetzt muss das Rohmaterial zugekauft und hergebracht werden.

In der Krankenstation machen drei Ärzte Dienst. Sie strahlt vor Sauberkeit. Sr. Elfride hat sie gebaut und der Stadt übergeben.

Nach dem Mittagessen fahren wir wieder in die Stadt. Franz und Sr. Elfride wechseln Reiseschecks, wir gehen zur Post. Obwohl wir uns gegenseitig suchen, verpassen wir einander und verlieren so fast zwei Stunden. Schade.  Anschließend versitzen wir viel Zeit im Büro der Fluglinie Avianca. Sr. Elfride will unbedingt, dass wir einen Tag früher fliegen und uns das Goldmuseum in Bogota ansehen können. Wir müssten aber 280 $ extra bezahlen. Das ist uns zu viel. Sr. Elfride zeigt uns St. Klara. Es ist als Kloster erbaut worden. Später war hier lange das Krankenhaus untergebracht. Sr. Elfride war oft mit Kranken hier. Heute ist es ein Nobelhotel. Wir spazieren an weiß gekleideten Wächtern vorbei und sind in einer anderen Welt. Ein Palmengarten im Arkadenhof, Luxus pur.
 

Donnerstag, 15.11.

Wir versuchen telefonisch unsere Flüge bestätigen zu lassen. Wir erfahren, dass dreieinviertel Stunden in Bogota zu wenig sein sollen, und fahren nochmals zu Avianca. Wir müssten extra bezahlen und dann sehen, ob wir Geld für den gebuchten Flug zurückbekommen. Dabei vergeht nochmals viel Zeit.

Sr. Elfride zeigt uns das Hotel Carleston im ehemaligen Karmelitenkloster. Ebenfalls ein wunderbarer Bau mit Swimmingpool auf der Dachterasse.

Zu Mittag lädt uns Sr. Elfride bei ihren Mitschwestern in der Candelaria ein. Das ist ein weiteres Schulzentrum des Ordens für 1.200 Kinder, das als Privatschule geführt wird.

Am Nachmittag fahren wir zurück in die Stadt. Sr. Elfride hat viel bei den Ämtern zu erledigen und fährt mit dem Taxi zurück. Es ist auch angenehm einmal ohne Sr. Elfride, und damit ohne Zeitdruck die Altstadt zu gehen. Antonio erweist sich als guter Führer.
 

Freitag, 16.11.

Den Vormittag verbringen wir mit Gesprächen mit den Studentinnen. Dr. Triana bringt die Kostenvoranschläge für die Fertigstellung der Schule in Villa Gloria und den Bau von 10 kleinen Häuschen. Sr Elfride und Sr. Astrid zeigen uns den Kindergarten in Arroz Barrato, dann besuchen wir den fast fertigen Kindergarten von Franzisco de Paula in Nelson Mandela. Wir wollen noch Vierteln sehen, in denen Sr. Elfride nicht arbeitet. Die Lehrerinnen der Schule bitten Sr. Elfride dringend um Hilfe und zeigen uns den Bauplatz für ihre Schule.

Am Nachmittag baue ich mit Franz den Solargrill zusammen. Anschliessend gehe ich in den Computerraum und rede mit den Englischlehrern. Franz, Klaus und Wolfgang wollten mit Sr. Elfride den botanischen Garten besuchen. Ein Platzregen hielt sie im Auto fest, dann war der Garten bereits geschlossen.

Am Abend feiern wir Abschied. Sr. Elfride sagt, dass sie uns als Teil der franziskanischen Gemeinschaft betrachtet. Sr. Elfride denkt, dass der Schulbau wichtiger ist als der Bau der 10 halben Häuschen. Wir haben schon die gleichen Überlegungen angestellt.
 

Samstag 17.11.

Es kommen noch weitere Studentinnen und auch Dr. Triana mit einem ersten Entwurf und einem Kostenvoranschlag für die Schule in

Sr. Elfride nimmt sich noch Zeit für ein Interview. Der Abschied ist herzlich.

In Bogota empfangen uns drei Schwestern. Wir brauchen nach dem Landen eine volle Stunde, bis wir unser Gepäck bekommen. Dann verladen sie uns in ihr Auto und bringen uns von der nationalen Abflughalle einen guten Kilometer weiter in die internationale Abflughalle. Hier stehen wir eineinhalb Stunden in der Schlange.  Die Schwestern bewachen unser Gepäck. Die Maschine aus Paris hat drei Stunden Verspätung. Ein Fluggast ist krank geworden, die Maschine musste nochmals in Paris landen. Auch unsere Anschlussflüge aus Paris müssen umgebucht werden. Wir bekommen von Air France ein Essen in einem Flughafenrestaurant und verabschieden uns von den Schwestern.
 

Sonntag, 18.11.

In Paris begleiten wir Wolfgang in seine Abflughalle. Die ca. 280m lange und 60m breite, freitragende, gewölbte Betondecke bringt uns ins Staunen. Gelungene Architektur. Um 18:00 Uhr kommen wir in Wien an. Aussentemperatur beträgt ein Grad. Um 21:00 Uhr sind wir zu Hause, zumindest körperlich.

 

>> Georg König  

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